Aufruf

Solidarität verteidigen! – United against racism and fascism


Wir haben eigentlich keine Zeit. Aber die Momente, in denen Solidarität gefragt ist, kann sich niemand aussuchen. Dies ist ein Aufruf zur Selbstverteidigung und zur Solidarität – in Sachsen und darüber hinaus. Um die Welt zu retten, müssen wir uns selber schützen. Auf Parteien, die in immer neuen Asylgesetzen staatlichen Rassismus organisieren und auf Institutionen, die Naziterror finanzieren, werden wir uns bestimmt nicht verlassen. So einfach ist das. Wenn die Rechten jetzt zeigen, zu was sie fähig sind, werden wir zeigen, dass wir zusammenhalten. Dass wir verstanden haben, was hier gerade passiert. Wir wissen, was es heißt, das eigene Leben und die eigene Existenz zu verteidigen – für viele von uns ist es nicht das erste Mal. Wir geben nicht auf. Denn wir sind hier, in Sachsen und anderswo. Wir kommen, heute und morgen und in aller Zukunft. Wem das nicht passt, wird sich daran gewöhnen müssen. Wer das verhindern will, wird einen hohen politischen Preis zahlen: Die Toten an den Außengrenzen Europas, die Mordserie des staatlich geförderten Nationalsozialistischen Untergrunds, die unzähligen Anschläge auf Geflüchtete und deren Unterkünfte, die Abschiebungen, der globale Ausbau des Lagersystems und Angriffe auf Solidaritätsinitiativen, Seenotrettung und Antifaschismus. Der Preis ist Spaltung und Entrechtung, Mauern und Gewalt. Der Preis ist die Faschisierung der Gesellschaft, die in Sachsen in vollem Gang ist. Wer diesen Prozess aufhalten will, wird im Wahl-O-Mat vergeblich nach Antworten suchen, sondern muss den Blick scharf stellen: auf die unzähligen, oft unsichtbaren Geschichten migrantischer, antifaschistischer und solidarischer Alltagskämpfe. Hier beginnt die Möglichkeit einer anderen Welt, immer und überall. Wir machen das Licht an und drehen den Ton auf: Sachsen ist gleichzeitig schlimmer und schöner als viele denken.

Das Problem heißt nicht Migration

Reden wir vom Rechtsruck. Denn nicht Migration, sondern der aufkommende Faschismus ist das Problem. Die Zustände in vielen Teilen Sachsens sind weder Überbleibsel eines vergangenen Deutschlands, noch ein Betriebsunfall des Normalen. Sie sind Teil einer rechten Kontinuität und deswegen eine mögliche Zukunft, die überall droht. Und die deshalb alle etwas angeht. Die Furcht, in manchen Orten abends auf die Straße zu gehen, der Rassismus in Schulen, die Selbstverständlichkeit des Misstrauens in Behörden und Institutionen: In Sachsen radikalisiert sich eine soziale Gewalt, die beim Rassismus beginnt, aber dort nicht Halt macht. Davon zeugen die antisemitischen Übergriffe in Chemnitz und anderswo, die Kampagnen der AfD gegen soziale Einrichtungen, Theater und die freie Kunst sowie die Angriffe auf den Feminismus und die Kämpfe von LGBTIQ*-Personen. Und die Liste der Pogrome, Fackelmärsche, Übergriffe mit polizeilicher Unterstützung ist lang: Heidenau, Freital, Wurzen, Zwickau – und seit Chemnitz fallen alle Hüllen. Verharmlost und geduldet wird das alles seit Jahren von Ministerpräsident Kretschmer, seiner CDU-Regierung und dem Verfassungsschutz. Doch die alten und neuen Rechten sind keine „besorgten Bürger“, sondern sie verbreiten Angst und Schrecken. Sie prügeln, morden und hassen uns, die Migrant*innen, die Antifas, die Jugendkultur, die Feministinnen, die Künstler*innen, die Unordnung. Sie hassen uns, weil wir anders sind oder keine Angst vor dem Anderen haben. Sie hassen, was die verkalkten Gemeinschaften der Nation, des Betriebs und der Familie in Frage stellt. Sie erklären die Gesellschaft der Vielen zum Feind und nicht die Herrschaft der Wenigen. Aber ihre Erzählung von der Ungleichheit der Menschen ist auf eine gefährliche Weise produktiv: Sie schafft die Bedingungen für gesellschaftliche Rangordnungen und die Ausbeutung entlang rassistischer und geschlechtlicher Linien. Die alten und neuen Nazis sind die Radikalisierung dessen, was uns täglich umgibt. Und sie haben mächtige Freunde. Der neue Faschismus – in Sachsen, in Polen, Italien, Brasilien oder Ungarn – fällt nicht vom Himmel, aber er wird von oben befeuert. Überall sind Reiche, Sicherheitsbehörden und Regierungen Teil der neuen rechten Konjunktur, die unten oft jubelnd empfangen wird. Sagen wir es deshalb unmissverständlich: Es gibt keine heile Gesellschaft, die wir zu verteidigen haben. Die Gesellschaft des ganz normalen Normalzustands ist eine Welt der Abschiebungen, des staatlichen Rassismus, der Kettenduldungen und Diskriminierung, der Waffenexporte, der Toten auf dem Mittelmeer und der Kriminalisierung von Solidarität.

Entscheid‘ Dich – Solidarität verteidigen!

Doch das ist nicht alles. Reden wir von uns. Es sind immer noch unglaublich viele, die jeden Tag gegen den Zeitgeist und die rechte Hegemonie ankämpfen, die sich nicht unterkriegen lassen. Menschen, die nicht den Kopf einziehen und sich wegducken, sondern ihre Rechte einfordern. In Bautzen, Döbeln, Zwickau, Chemnitz, Plauen, Borna, Görlitz, Ostritz, Dresden, Leipzig und anderswo: Es gibt das Andere, die offenen Türen und offenen Arme. Das Zusammenhalten derjenigen, die manchmal mit dem Rücken zur Wand stehen, aber noch längst nicht verloren haben. Deren Leben hier seit Jahrzehnten stattfindet, in anderen Bahnen als denen der rechten Brutalität. Und es gibt sie überall, die Geschichten unermüdlicher migrantischer und aktivistischer Selbstbehauptung. Die Geschichten all jener unter uns, die es trotz allem geschafft haben, die sich nicht haben wegschicken, abschieben und unterkriegen lassen. Viele von uns wären längst hier weg, wenn es Wohnsitzauflagen und Residenzpflicht nicht verbieten würden. Viele mussten und nicht wenige wollten bleiben. Uns gibt es hier ganz einfach – und mit uns einen selbstorganisierten, mutigen Antifaschismus und eine aktive Zivilgesellschaft, die trotz Drohungen und Einschüchterungsversuchen unmissverständlich sagen: Auch in Sachsen kann sich jede*r entscheiden – und zwar nicht bloß an der Wahlurne, sondern jeden Tag. Daran halten wir fest und das ist unsere Behauptung für das, was jetzt kommt. Gleichzeitig: Verhindern wir, dass aus dem rechten Durchmarsch eine Regierung der AfD wird – das ist das Mindeste, was jetzt und immer noch möglich ist. Fangen wir beim Naheliegenden an: Solidarität verteidigen, zusammen und in neuen Koalitionen. Solidarität ist mehr als ein Wort. Solidarität ist die schönste Beziehung der Welt. Solidarität heißt, dass unsere unterschiedlichen Geschichten kein Hindernis für einen gemeinsamen Kampf sind. Im Gegenteil. Die Lust an diesem gemeinsamen Kämpfen ist mehr als eine Verzweiflungstat. Sie kann der Beginn einer großartigen Freundschaft sein. Einer Freundschaft der selbstorganisierten Gruppen und Initiativen, die sich nicht den Mund und das Leben verbieten lassen, die sich trauen zu sagen was ist. Und die dem Rechtsruck nicht hinterherlaufen, sondern ihm im Alltag die Stirn bieten. Wir sind mehr als wir denken!

Wir rufen auf

– zu einem gemeinsamen, bundesweiten Block auf der Unteilbar-Demonstration am 24.8. in Dresden! Solidarität verteidigen – United Against Racism & Fascism!

– zu einem Tribunal vom 1.-3. November in Chemnitz, auf dem wir die Perspektive der Opfer des NSU und die Stimmen der migrantischen Kämpfe gegen die der Täter stellen. Wir klagen an!

– zum Sammeln von Spenden für solidarische Projekte in Ostdeutschland. Put your money where your mouth is!

– zu antifaschistischer, antirassistischer und migrantischer Verschwesterung! Wer zusammen kämpfen will, muss sich kennen! Kommt zusammen, macht Abendessen, Konzerte, connected euch in
Unterkünften und organisiert gemeinsam Busse am 24.08. – aus Sachsen und bundesweit!

– zum Swarming, zur Vernetzung und zur Unterstützung selbstorganisierter antifaschistischer, migrantischer und antirassistischer Initiativen

– zum Widerstand für den Fall, das die sächsische CDU oder eine andere Partei Koalitionsverhandlungen mit der AfD beginnt

– zum Aktiventreffen am 28. Juli in Dresden, bei dem wir gemeinsam konkrete Demo-Pläne schmieden und überlegen, wie es danach weitergeht