Bericht aus Bautzen

We’ll Come United: Ein Besuch in Bautzen, Sachsen ✊

Bautzen, 4.8.2019

Alle wollen erzählen. Die meisten sprechen hastig, gehetzt. Sie berichten von Schikanen der Bautzener Ausländerbehörde, von Gutscheinen statt Barleistungen und Arbeitsverboten und von unerträglichen Zuständen in Lagern in denen sie seit Jahren zu leben gezwungen sind. Das kennen wir auch von anderen Orten in Deutschland, in denen Ausländerbehörden Spielräume, zum Nachteil der Betroffenen ausnutzen. Hier in Bautzen scheinen die üblichen Schikanen auf die Spitze getrieben:

In der Ausländerbehörde Bautzen gibt es einen Sicherheitsdienst, der von Rechtsextremen durchsetzt ist. Manche tragen sichtbare Tattoos, andere tun sich durch Beschimpfungen hervor: „Die Ausländerbehörde behandelt die Menschen wie Tiere. Die Securities schubsen dich herum und beschimpfen dich wie sie wollen.“ Immer wieder kommt es vor, dass dieser Sicherheitsdienst nicht nur den Eingang bewacht, sondern offensichtlich auch zu den Terminen mit in den Raum geht. Wer sich darüber beschwert kriegt lapidar gesagt, er könne ja wieder gehen, wenn es ihm nicht passt. Wenn die Betroffenen alleine zum Termin gehen, dann warten sie auch wenn es nicht voll ist mitunter vier Stunden auf die Verlängerung der Papiere. Einzelne Mitarbeiterinnen tun sich besonders in der akribischen Verfolgung einzelner Betroffener hervor. „In der Ausländerbehörde herrscht eine Atmosphäre der Angst. Auch die Mitarbeiterinnen, die vielleicht nicht auf der Schikane-Linie sind, scheinen durch die Präsenz der rechtsextremen Securities eingeschüchtert.“

Die lokalen Aktiven berichten, dass die Probleme in der Ausländerbehörde seit spätestens 2017 stark thematisiert wurden. Der Leiter der Ausländerbehörde im Landkreis Bautzen Udo Witschas wurde im August 2017 suspendiert. Zuvor war es in Bautzen zu rassistischen Ausschreitungen gekommen. Der CDU-Politiker hatte in vertraulichem Ton mit dem damaligen NPD-Kreisvorsitzenden auf Facebook gechattet und Informationen geteilt. Nachdem ein strafrechtliches und ein internes Disziplinarverfahren im Sande verliefen, wurde im März 2019 nun beschlossen, ihm die Leitung der Ausländerbehörde wieder zu übertragen. Dagegen regte sich heftiger Protest unter anderem durch lokale Initiativen wie „Willkommen in Bautzen“ und auch überregional vom @ [204490826370915:274:Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.]. Seitdem steht fest: die Ausländerbehörde in Bautzen bedarf scharfer Beobachtung. Wir denken über „Behörden-Watch“, eine auch überregionale Beobachtung und Skandalisierung der Schikanen durch die Ausländerbehörde Bautzen nach. Auch die Unterbringung in den Lagern gehört übrigens zu dieser Politik: Der Landkreis Bautzen ist in Sachsen Schlusslicht, wenn es darum geht, geflüchteten Menschen ein selbstbestimmtes Wohnen in der eigenen Unterkunft zu ermöglichen.

Wir hören außerdem von einem Alltag, der von offenem Rassimus geprägt ist. Von Ärzten, die die Behandlung verweigern, weil sie „keine Ausländer behandeln“. Von Busfahrern, die an der Bushaltestelle nicht halten, wenn nur eine Frau mit Kopftuch auf den Bus wartet. Von einem Angriff vorletzte Woche auf einen afghanischen Geflüchteten wird berichtet und von Flaschen, die aus einer Personengruppe ins Fenster einer Wohnung geworfen wurden. Eine Familie hat an diesem Wochenende wieder „Tot Tot“ im Treppenhaus an die Wand geschmiert vor der Tür vorgefunden. Die Polizei komme wenn sie gerufen werde, aber ermittelt werde nicht. „Die sind hier alle miteinander befreundet. Und so läuft das überall hier wie in Afghanistan. Gegen Freunde ermitteln Polizisten nicht wirklich.“

Vor allem geht es in den Berichten immer wieder um eine schweigende Mehrheit, die wegschaut und nichts sagt. „Sobald ich Arbeit in einer anderen Stadt finde, bin ich weg. So wie alle hier.“, sagt ein afghanischer Mann, der eine Flüchtlingsanerkennung hat. Seine Frau beschreibt die gesundheitlichen Probleme, die sich aus der permanenten Stresssituation entwickelt haben.

Auch diejenigen, die die Menschen nun seit Jahren unterstützen haben Redebedarf. Sie erzählen von Anfeindungen und wie sie immer wieder versuchen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Weil etwas getan werden muss und sie das tun: dem Rassismus jeden Tag die Stirn bieten. Sie legen einen außerordentlichen Einsatz an den Tag und stehen im Alltag für ein anderes, ein buntes Bautzen ein.

Zwei Busse mit Geflüchteten und lokalen Aktivistinnen werden aus Bautzen am 24.8. zum Power Parade Block in Dresden aufbrechen und dort einen eigenen Truck bespielen mit ihren Geschichten und ihren Forderungen. Dort werden sie zusammen kommen mit vielen anderen denen es ähnlich geht: Geflüchteten und MigrantInnen aus Hoyerswerda, Borna oder Pirna, die einen Tag gemeinsam laut werden wollen.

Wir werden in Verbindung bleiben.
– Es braucht für die zunehmenden rechtsextremen Umtriebe rund um Ausländerbehörden, nicht nur in Bautzen eine Art „Ausländerbehörden-Watch“ überregional, um gemeinsame Interventionen zu überlegen, um Rassisten und Rechtsextremen in den Ausländerbehörden das Handwerk zu legen.
– Wir brauchen enge Verbindungen zu den Städten, die in besonderem Maße von Alltagsrassismus betroffen sind: Freundinnen und Freunde die Mut machen, Zuhören und auch mal zum Besuch einladen. Um Orte zum Ausruhen und Luft holen zu schaffen und um mal rauszukommen.

Heute sind alle dabei zu basteln, Banner zu malen, Slogans zu diskutieren oder eigenen Black Boxen ihrer Erfahrungen zu basteln. „Für ein migrantisches Sachsen mit gleichen Rechten für alle“ ist einer der Slogans, der am Ende in die engere Auswahl kommt. Die Stimmung ist jetzt konzentriert und entschieden – Hier sind wir! MigrantInnen für ein anderes Sachsen!
Wir werden zusammen weitermachen.